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Den Tod vor Augen und die Zeit im Nacken

Trauerbewältigung

Mit dem Tag der Diagnosestellung – kurz vor Sommerbeginn 2017 – war sowohl meiner Frau als auch mir bewusst geworden, es wird der Tag kommen an dem wir durch den Tod getrennt werden. Wann dieser Tag sein wird konnte uns niemand verraten. Die Tatsache aber, dass es sich um eine sehr aggressive Art von Krebs handelte machte uns allen klar, dass wir hier maximal von einigen Monaten sprechen und nicht von Jahren. Mit solchen Fakten konfrontiert zu werden muss erst einmal verarbeitet sein.

Meine Frau sollte im Frühling 2018 Oma werden. Wenn dies bei Arztgesprächen zum Thema wurde konnte man in den Augen der Ärzte genau erkennen – April 2018, das wird wohl nichts werden. Ausgesprochen hatten sie dies natürlich nie direkt. Doch Blicke reichen manchmal auch als eine Antwort aus. Alle Hoffnungen, es könnte sich eventuell durch Behandlungen etwas „zum Guten“ wenden lassen waren damit in einem Streich vom Tisch. Nun stand an erster Stelle, die restliche Zeit die uns noch bleibt so angenehm und schön zu gestalten wie es irgendwie möglich ist.

Nicht die einfachste Aufgabe wenn man im dritten Obergeschoss wohnt und die Treppen von meiner Frau anfangs nur unter aller höchster Anstrengung und viel Zeitaufwand, wenig später letztlich gar nicht mehr zu schaffen waren. Die eigenen vier Wände wurden damit zum Gefängnis.

Ein Geschenk von Lebenszeit und trauter Zweisamkeit

„Einzelhaft und auf den Tod warten“, so nannte sie diese Situation öfter mal. Ihr standen dabei meist die Tränen in den Augen die sie geschickt versuchte vor mir zu verbergen. Ich stellte mich nach Möglichkeit dann immer hinter sie um meine Betroffenheit nicht preis zu geben. Auf diese Weise versuchten wir uns gegenseitig zu schonen obwohl es nichts, aber auch gar nichts zu schonen gab. Beiden war uns klar, dass jeder Tag nein besser jede Stunde von nun an ein Geschenk sein wird.

Der Sommer ging und der Herbst kam, mit ihm wurde die Zahl der gesundheitlichen Probleme langsam aber stetig größer. Wo anfangs noch der eine oder andere Schritt weitestgehend klappte – wenn auch teilweise mit Unterstützung – blieb nun nur noch z.B. die Morgentoilette am Waschbecken. Die Fortbewegung innerhalb der Wohnung war vor einigen Wochen zwar mühsam aber machbar für meine Frau. Inzwischen fiel ihr das Laufen erheblich schwerer, selbst wenn es nur die wirklich „kurzen Strecken“ in der eigenen Wohnung gewesen sind.

Das unmittelbare Miterleben des körperlichen Verfalls eines geliebten Menschen zählt aus meiner Sicht mit zu den härtesten Prüfungen überhaupt welche das Leben für uns gegebenenfalls bereithält. Ich habe mich dieser Prüfung gerne und bewusst gestellt ohne den genaueren Verlauf zu kennen, weil meine Liebe zur ihr generell über allem steht.

Diese Momente und dieser Lebensabschnitt wird mich ein Leben lang begleiten, ich werde die Bilder und Worte aus dieser Zeit nie mehr vergessen, so bitter sie auch sind.

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