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Kann Augmented Reality den Durchbruch schaffen?

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Die Anfänge der Technologie sind uralt, und dennoch steckt Augmented Reality noch in den Kinderschuhen, was Entwicklung und Einsatzmöglichkeiten anbelangt. Die Idee, das Sichtfeld des Betrachters komplett auszufüllen, um ihn illusorisch mitten ins Geschehen zu versetzen, stammt aus dem 19. Jahrhundert, als 360-Grad-Panoramabilder den ersten Schritt in Richtung virtuelle Realität machten.

Dass das Gehirn zwei nebeneinander platzierte Bilder zu einem einzigen, dreidimensionalen Bild verschmilzt, ist dank dem britischen Physiker Charles Wheatstone seit 1838 bekannt. Das Phänomen wird als stereoskopisches Sehen bezeichnet und ist die Grundlage für VR-Brillen, an denen seit den 1960er Jahren getüftelt wird. Die ersten Anwendungen waren überwiegend militärisch, weil sich mit Hilfe von mit Kameras verbundenen VR-Brillen, die mit Motion-Tracking-Technologie ausgestattet waren, Gefahrenzonen aus sicherer Entfernung betrachten ließen.

Erst die Verbindung von Brillen mit Computern ließ die neue Technologie für den Unterhaltungsbereich interessant werden. Fast ein halbes Jahrhundert musste allerdings noch vergehen, ehe die Brillen leicht genug wurden, um über längere Zeit getragen zu werden, und zugleich über hoch auflösende Bilder und große Datenspeicherkapazitäten verfügten. Hinzu kamen sinkende Preise.

Virtuelle Realität ist nicht nur in Spielen oder Science-Fiction Filmen wie Steven Spielbergs Blockbuster „Ready Player One“, in denen eine dystopische Gesellschaft mithilfe von Avataren in eine Abenteuerwelt entflieht, ständig in der Diskussion. Das völlige Loslösen von der Wirklichkeit und Eintauchen in eine komplett computergerenderte Welt ist spätestens seit „The Matrix“ vor mehr als 20 Jahren in die Kinos kam, ein Traum nicht nur für Gamer.

Auch in der Berufswelt steigt das Interesse. Handwerkslehrlinge mit Hilfe von VR-Brillen ausbilden und praktische Erfahrungen sammeln lassen, ist eine der Möglichkeiten, die bereits umgesetzt wird.

Teils Unterricht, teils Unterhaltung ist der virtuelle Rundgang im Lübecker Günter-Grass-Haus, bei dem Besucher dank VR-Headset in die Welt des „Blechtrommel“-Helden Oskar Matzerath eintauchen können. Sein Sturz in den Keller wird genauso miterlebt wie sein späteres Dasein in der Heil- und Pflegeanstalt. Der virtuelle Zuschauer kann ein Radio für Kriegsberichte anschalten, Kerzen auf einer Geburtstagstorte auspusten und miterleben, wie eine Glühbirne zersplittert.
Der kleine Bruder der Virtuellen Realität, Augmented Reality (auf Deutsch: erweiterte Realität) macht weniger Schlagzeilen, ist aber mindestens ebenso vielfältig und nützlich in der Anwendung.

Dabei wird zwar nicht die gesamte Umgebung künstlich hergestellt, aber das Umfeld wird durch Bilder oder Informationen ergänzt, ohne dass dafür stets eine Spezialbrille erforderlich ist.
Den ersten großen internationalen Auftritt hatte Augmented Reality 2016 mit dem Spiel Pokemon Go. Unterwegs mit dem Smartphone die kleinen Monster suchen und fangen wurde für Millionen Zocker schnell zur Besessenheit. Die Pokemons wurden nur dort auf dem Bildschirm sichtbar, wo sie auch tatsächlich im Freien unterwegs waren.

Die Ergänzung der Wirklichkeit um ein paar Elemente erhöht nicht nur bei Pokemon Go den Spielspaß. Auf dem Handy Online Poker spielen und dabei einen echten Tisch vor sich sehen oder die Avatare der anderen Spielen in den eigenen vier Wänden zu erleben, ist eine potenzielle Möglichkeit. Auch die Macher von „Minecraft“ haben das Potenzial entdeckt und mit „Minecraft Earth“ fürs Smartphone eine App geschaffen, in der die aus den Klötzen kreierten Bauwerken in der realen Umgebung zu sehen sind.

Mehr als Trick in der Welt der AR: Pokemon Go (Quelle: Pixabay)

Im Spitzensport ist Augmented Reality ebenfalls schon im Einsatz. Anhand von zusätzlich eingeblendeten virtuellen Linien kann zum Beispiel der Zuschauer am Bildschirm selbst erkennen, ob das umstrittene Fußballtor im Abseits gefallen ist oder nicht.

In der Medizin wird Augmented Reality vor allem in der Chirurgie benutzt, um den Ärzten auf AR-Brillen oder Head-Up-Displays so viele Informationen wie möglich zukommen zu lassen. Das können Texte genauso wie Grafiken sein.

Computertomographen und Magnetresonanzscanner können virtuelle Organe generieren, die denen des Patienten hundertprozentig gleichen. Dadurch lassen sich chirurgische Einschnitte schon millimetergenau planen, wo das Skalpell überhaupt angesetzt wird. Die künstlichen Organe lassen sich mittels der neuen Technologien gefühlt sogar anfassen. Auch die Operation selbst wird häufig mit Hilfe von AR-Technologie durchgeführt, in denen der Chirurg einen Roboter steuert, der die eigentliche Operation vornimmt. Das Ergebnis sind weniger Kunstfehler, und weil die Roboter eigens für den Patienten gefertiges Einmal-OP-Besteck verwenden, sinkt zudem das Infektionsrisiko.

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Grenzlose Möglichkeiten in der medizinischen und pädagogisch Bereich (Quelle: Pixabay)

Auch für weniger hochspezialisierte Anwendungsbereiche in der Arbeitswelt ist Augmented Reality bereits im Einsatz. Auf dem Bau oder in der Fabrik können Arbeiter auf ihren Brillen Instruktionen für den nächsten Arbeitsschritt erhalten, Baupläne sehen oder sich Techniken angucken. Dabei wird schrittweise vorgegangen, so dass der Nutzer stets weiß, welches Werkzeug er als nächstes braucht und in welcher Reihenfolge er vorgehen muss.

In der Autoindustrie setzen einige Hersteller bereits darauf, Mechanikern via AR-Brillen technische Informationen bei Reparaturen einzuspielen. Innenarchitekten können Zimmer auf dem Handy virtuell möblieren oder tapezieren und das Ergebnis im Raum zeigen.

Unterricht zum Beispiel in Geschichte oder Erdkunde greifbar machen ist ein weiterer interessanter Bereich für Augmentend Reality und für Virtuelle Realität. Wer sich wie in den erste Panoramabildern im 19. Jahrhundert plötzlich beim Bau der Pyramiden wiederfindet oder Amerika entdeckt, wird dabei mehr Spaß haben, als wenn das Wissen nur aus Lehrbüchern vermittelt wird, selbst wenn der Schüler dabei den Klassenraum nicht verlässt.

In Berlin ist die Idee seit eigenen Monaten real zu erleben. Die Berliner Mauer, die 28 Jahre lang die Stadt in Ost und West teilte und zum Symbol des Kalten Krieges wurde, steht zwar seit der Wende nur noch in Bruchstücken, aber eine anlässlich des 30. Jahrestags des Mauerfalls vorgestellte Handy-App stellt sie wieder auf. Über 160 Kilometer Mauer werden lebendig, inklusive der Panzer von Sowjetunion und Westmächten, die sich 1961 in der geteilten Stadt plötzlich gegenüber standen. Eingespielte Filme ergänzen das zum Anfassen nahe zeitgeschichtliche Ereignis. So wird Geschichte, die auch die Gaming- und Filmwelt von jeher fasziniert hat, lebendig. Und je erschwinglicher die Technologie wird, desto mehr wird davon in den Alltag einziehen.

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