Zum Inhalt springen

Offener Brief an alle Bundestagsabgeordneten

Nachfolgenden offenen Brief habe ich über das Portal „Offene Briefe gegen die Vorratsdatenspeicherung“ abgesendet. Eventuelle Rückantworten werde als Update hier eingestellt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Vorhaben der Vorratsdatenspeicherung halte ich für massiv über das Ziel hinausgeschossen. Ob die Speicherung 3 Monate oder 6 Monate erfolgt dürfte Ihre damit verfolgten Ziele nicht so erheblich beeinflussen, dass eine entsprechende Rechtfertigung gegeben wäre. Bei entsprechendem Verdacht ist der Zugriff auf Daten vollkommen in Ordnung. Aber pauschal das ganze Land unter die Lupe zu werfen ist m.E. nicht gerechtfertigt!

Erst recht nicht, wenn die dafür bei den Telefongesellschaften entstehenden Kosten an die Kunden weitergegeben werden. Die Zuschüsse seitens der Regierung sind nicht ausreichend um alle Kosten zu decken. Die Restinvestitionen werden wie man lesen konnte auf die Kunden abgewälzt.

Also darf ich Mehrkosten tragen für eineAngelegenheit, die m.E. am grünen Tisch für richtig gehalten wird.

Mit freundlichen Grüßen

Update
————————Rückantwort von Christian Carstensen, MdB—————————

Sehr geehrter Herr XXXXX,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 01. Mai 2007. In Ihrem Schreiben haben
Sie Bedenken gegenüber der gesetzgeberischen Umsetzung der europäischen
Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung formuliert.

Die grundsätzlich bis Herbst 2007 umzusetzende Richtlinie verpflichtet
die Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland zu einer Einführung von
SVorratsspeicherungspflichten für bestimmte von Telefon- und
Internetdaten zu Zwecken der Terror- und Verbrechensbekämpfung für eine
Dauer von mindestens sechs und höchstens 24 Monaten.

Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt sowohl ihre Verantwortung für eine
wirksame Kriminalitätsbekämpfung als auch ihre Verpflichtung für
Bürgerrechte ernst.
Sie hat ihren Vorbehalt gegen die EU-Regelung zur
Vorratsdatenspeicherung erst aufgegeben, nachdem die Bundesregierung
in Brüssel einen zufriedenstellenden Kompromiss erzielt hat, dem
letztlich auch das Europäische Parlament zugestimmte. Der deutschen
Regierung ist es auf europäischer Ebene gelungen, die
Vorratsdatenspeicherung auf das zu reduzieren, was wirklich zur
Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und
angemessen ist.

Dabei hatten die Initiatoren der Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene
mit den anfänglichen Entwürfen weitergehendes vorgesehen:
So sollte die Mindestspeicherfrist zwölf Monate betragen. Durch lange
und intensive Verhandlung ist erreicht worden, dass es jetzt nur noch
sechs Monate sind. In der Praxis bedeutet das, dass die meisten
Unternehmen, die die relevanten Daten heute bereits für erhebliche
Zeiträume zu geschäftlichen Zwecken aufbewahren, gar keine wesentlich
längeren Speicherungen vornehmen müssen als bisher.
Ursprünglich sollten auch sog. erfolglose Anrufversuche gespeichert
werden. Damit konnten wir nicht einverstanden sein, denn die Speicherung
dieser Daten wäre für die Telekommunikationsunternehmen sehr teuer
geworden. Zudem gibt es keinen Bedarf für die Speicherung einer solchen
Flut von Daten. Auch dieses Thema ist vom Tisch: erfolglose
Anrufversuche müssen grundsätzlich nicht gespeichert werden.
Ebenfalls gespeichert werden sollten Standortdaten am Ende von
Mobilfunkverbindungen. Der Vorschlag wurde gekippt und somit verhindert,
dass durch das Anlegen von engmaschigen Bewegungsprofilen in die Rechte
der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen wird.
Beim Internet wird schließlich lediglich gespeichert, dass sich der
Nutzer online befindet. Es werden ebenfalls Daten zur Internettelefonie
und bezüglich der E-Mail-Dienste gespeichert. Inhalte, wie immer
behauptet wird, also auch Informationen, welche Websites benutzt werden,
werden auch hier nicht gespeichert. Denn Daten, die Aufschluss über den
Inhalt einer Kommunikation (z.B. E-Mmail oder Telefongespräch oder
Seiten, die ein Nutzer aufgerufen hat) geben, dürfen nach der Richtlinie
nicht gespeichert werden.

Die Richtlinie enthält Vorgaben für Regelungen zum Datenschutz und zur
Datensicherheit, die mit Sanktionen bewehrt werden müssen. Die
Sanktionen sollen insbesondere einen unbefugten Zugriff oder Umgang mit
den Daten verhindern und die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen sichern.

Keine Alternative zur Vorratsdatenspeicherung ist das sog. quick
freezee-Verfahren. So können mit diesem Verfahren etwa
Phishing-Mail-Fälle zumeist nicht verfolgt werden. Phishing-Mails sind
fingierte E-Mails, welche als vermeintliche Absender z.B. Deutschen
Bank, Commerzbank und Raiffeisen-Volksbank ausweisen. Mit diesenm
E-Mmails wird nach den persönlichen Daten wie PIN und TAN-Nummern
gefragt. Darauf fallen Leute rein. Die Täter sind nicht identifizierbar,
weil sie dynamische IP-Adressen und Pauschaltarife benutzen, bei denen
die wichtigen Verkehrsdaten heute nicht gespeichert werden dürfen.

Richtig ist, dass die Frage strittig war und ist, ob die Richtlinie oder
ein Rahmenbeschluss das richtige Rechtsinstrument zur Regelung der
Vorratsdatenspeicherung ist. Richtig ist auch, dass wir Bedenken
hatten, die Vorratsdatenspeicherung auf eine Richtlinie zu stützen.
Ernst zu nehmende Rechtsgutachten der Kommission und des Rates
Europäischen Parlamentes sprachen jedoch für eine Richtlinie.
Irland hält die Richtlinie nicht für die richtige Grundlage und hat beim
Europäischen Gerichtshof Klage erhoben. Die Slowakei teilt wohl die
Auffassung Irlands, hat sich der Klage allerdings bislang nicht
angeschlossen. Ob die Klageerhebung sie dies zum Schutz von
Bürgerrechten erfolgtetun, darf bezweifelt werden: Irland hat derzeit
bereits eine Vorratsdatenspeicherfrist von 36 Monaten. Der Slowakei
waren sechs Monate zu wenig; sie will eine Mindestspeicherfrist von 24
Monaten. Und Slowenien, das in diesem Zusammenhang auch stets angeführt
wird, hat sich für eine Speicherfrist von mindestens zwölf Monaten
ausgesprochen

Wie schon auf europäischer Ebene werden wir auch auf nationaler Ebene
bei der Umsetzung der Richtlinie den sachgerechten Interessenausgleich
zwischen den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger und dem
Interesse an einer effektiven Strafverfolgung im Blick behalten und für
eine Speicherung mit Augenmaß sorgen.

Mit freundlichen Grüßen,

Christian Carstensen

Schlagwörter:

Ein Gedanke zu „Offener Brief an alle Bundestagsabgeordneten“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst Dich informieren lassen wenn es Folgekommentare gibt.