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Generationsunterschiede – Ländergrenzen

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In diesem Artikel zur Serie Generationsunterschiede geht es um Ländergrenzen innerhalb Europas die es einst gegeben hat und die heute lediglich noch Markierungen auf der Landkarte sind.

Von Nuorgam am nördlichsten Zipfel Finnlands nach Trypiti, dem südlichsten Punkt Europa in Griechenland – das wäre zu meiner Jugendzeit nicht nur von der Entfernung her betrachtet „eine kleine Weltreise“ geworden. Die im Vergleich zu heute hohe Zahl an Landesgrenzen welche hätten passiert werden müssen wären mit einem großem Zeitaufwand verbunden gewesen, mal abgesehen von den zig Zollkontrollen und allem was dazu gehört. Doch genau das hatte u.a. den Reiz einer „weiten Reise durch Europa“ ausgemacht. Klar hat die freizügige Fahrt quer durch Europa auch seine Vorteile.

Trotzdem denke ich heute noch und immer wieder einmal auch „in Grenzen“, die ich in unterschiedlichster Art und Weise selbst erlebt und kennengelernt habe. Gerade auch die innerdeutsche Grenze muss man erlebt haben um ein Stück weit mitreden zu können. In der DDR wirklich gelebt zu haben ist ein völlig anderes und hier nicht hin gehörendes Thema.

Das Ost-West-Gefälle

In meiner deutlichen Erinnerung ist ganz klar auch die ehemalige DDR. Selbst wenn die DDR geschichtlich betrachtet natürlich einen „Start- und Endpunkt“ inne hat und man deswegen nicht von ehemalig sprechen sollte (ich wurde dahingehend bereits belehrt) tu‘ ich dies nicht nur im umgangssprachlichen Sinne sondern ganz bewusst. In mancherlei Hinsicht existiert die DDR für mich im Kopf noch heute. Befeuert wird dieses Denken durch die Begriffe Ossi und Wessi welche auch 30 Jahre nach dem Mauerfall ihre Anwendung finden. Die Gräben zwischen Ost und West von denen immer wieder die Rede ist sind nicht aufgefüllt und haben schon drei Jahrzehnte überdauert. Ob sich daran in absehbarer Zeit noch etwas grundlegend ändern wird darf diskutiert werden. Daran glauben tu‘ ich persönlich nicht.

Ich kann mich gut an so manche Bahnreise durch die sogenannte Zone – die Züge nannte man passender Weise Interzonenzug – erinnern, an die pro Fahrtrichtung zweimalig stattfindenden Kontrollen in Probstzella (dort gibt es heute ein Grenzbahnhof-Museum)  bzw. Griebnitzsee  und oft fiesen Schikanen der Grenzer aber auch an so manchen Spaß den wir als Heranwachsende durch die Länderteilung hatten. Und in Berlin (West) wie es damals hieß sind wir im relativ häufig gewesen.

Erweiterter Zwangsumtausch mit „speziellem Wechselkurs“

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Der „Perso“ von einst

Ein Besuch in West-Berlin hatte natürlich die persönlich auferlegte Pflicht auch „dem Osten“ einen Besuch abzustatten. Unsere „Ost-Passage“ fand steht immer am legendären Übergang Bahnhof Friedrichstraße statt. Das hatte auch einen ganz besonderen Grund, denn in der näheren Umgebung dieses Grenzpostens auf Westseite gab es eine und völlig offizielle Bankfiliale, in der man D-Mark in Ost-Mark tauschen konnte. Das aber zu einem absolut traumhaften Wechselkurs von 1:7. Nur der Rücktausch – also Mark wieder in D-Mark – war ausgeschlossen. Meist tauschten ich und meine Kumpels je 20 DM um und erhielten dafür 140 Ost-Mark.

Mit dieser Summe bist du in Ost-Berlin der King gewesen weil das leben dort ja im Vergleich zum Westen „nichts kostete“. Die hochoffiziellen 10 DM Zwangsumtausch beim Grenzübertritt für das nötige Tagesvisum fielen da nicht mehr sonderlich ins Gewicht. Unsere „Schwarzkasse“ hatten wir in entsprechend präparierten Schuhsohlen durch den sogenannten Tränenpalast wie diese Grenzübertrittsstelle seinerzeit hieß transportiert. Da nützten auch die vielen Spiegel der VoPo’s nichts, unseren Geldtransport bemerkte zu keinem Zeitpunkt einer von denen. Eine gewisse Anspannung war es trotzdem immer gewesen, denn auf einem Ossi-Revier wollte keiner von uns wirklich landen – aus welchen Gründen auch immer.

Königlich war unsere Freude dann, wenn wir „den schlauen Stasimann hinter seinem Einwegspiegel“ wieder einmal mehr sowas von verkohlt hatten. Das war dann quasi die Rache für die schon angesprochenen Schikanen der VoPo’s im Zug die es nahezu jedesmal gegeben hatte. Man könnte es im Nachhinein auch so betrachten – es war zu dem damaligen Zeitpunkt das ganz persönliche Begrüßungsgeld für Wessis.

Shopping war weniger angesagt, am Ende vielleicht noch 1-2 Flaschen Goldbrand, einem dem Weinbrand angelehnte Spirituose und Zigaretten (Duett oder Jubilar). Beides ein schlimmes Zeugs aber was sollte es – kostete ja auch „nix“ für Wessi-Verhältnisse und die DDR-Mark waren ja nun mal da. Was wir jedoch immer taten, ganz fein und nobel Essen gehen. Ich weiß nicht mehr wie das hieß, war jedenfalls auch nahe des Grenzüberganges und definitiv pikfein. Und somit natürlich auch teuer – aber was sollte es wenn ein 3-Gänge-Menü damals unter 20 Mark kostete inkl. ein oder zwei „Wernesgrüner“?

In dem „Laden“ schienen nur höherrangige DDR-Funktionäre gespeist zu haben, so jedenfalls sah es aus. Der Otto-Normal-Verbraucher aus dem Osten konnte da nicht hin. Was wir jedoch immer und auch echt gerne taten – unser Ober erhielt immer reichlich Trinkgeld, von jedem von uns. Ja, die Ausflüge in den Osten Berlins waren immer etwas ganz besonderes gewesen selbst wenn der Grenzer von einem Fiat Panda die Rücksitzbank ausbaute (und mich dann wieder einbauen lies), weil sich dort vielleicht einer drunter verstecken könnte oder ich 15 DM „Reinigungsgebühr“ (ohne eine ordentliche Quittung versteht sich) im Zug bezahlen musste weil meine Coladose etwas getropft hat. Es war ein Wagen der DB und der Zug fuhr nach München – also wer macht dann letztlich auch sauber? War ganz eindeutig eben eine beliebte Art der West-Devisenbeschaffung für die „nicht ganz so ehrlichen Staatsdiener“.

Und auf all diesen Erlebnissen, die heute ganze Bücher füllen könnten beruht auch die Tatsache, dass ich von der „ehemaligen DDR“ spreche weil es sie genau so eben nicht mehr gibt. Es war unsere ganz persönliche, eine ganz eigene Art von DDR gewesen wie wir sie damals kennengelernt und erobert haben. Denen die diesen Staat nur noch aus den Geschichtsbüchern kennen kann man das so genau gar nicht veranschaulichen. Und Geschichtsbücher beinhalten derartige Erlebnisse ohnehin nicht. Wer so eine West-Ost-West-Reise mit allen seinem kuriosen drum und dran nicht selbst erlebte der hat ganz klar etwas versäumt.  Allein die Gaudi mit den „Geldtransporten“ würde ich glatt heute nochmal machen – des Adrenalinschubes wegen.

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